Tempo 30 – eine sinnvolle Massnahme gegen Strassenlärm?

    Der Zürcher Stadtrat hat beschlossen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf beinahe allen Strassen der Stadt Zürich bis 2030 von 50 auf 30 km/h zu reduzieren. Diesen Entscheid begründet er im Wesentlichen damit, dass die Stadtbevölkerung auf diese Weise effektiv vor Strassenlärm geschützt werden könne. Die IG Schleichverkehr bezweifelt dies. Ökologisch sei Tempo 30 sogar kontraproduktiv.

    (Bild: pixabay) Die flächendeckende Einführung von Tempo 30 provoziert politischen Widerstand.

    Eine «ungefähre Halbierung des Strassenlärms», wie sie vom kantonalen Baudirektor Martin Neukom (Grüne) im Februar 2021 in einem Interview mit dem Regionaljournal von Radio SRF in den Raum gestellt wurde, bringt die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts von 50 auf 30 km/h allerdings keineswegs, wie eine von Stadt und Kanton Zürich in Auftrag gegebene Studie gezeigt hat. Die vom menschlichen Gehör wahrgenommene Lärmreduktion beträgt nämlich tagsüber lediglich 10 Prozent bzw. 13 Prozent in der Nacht. Von einer effektiven Massnahme kann deshalb kaum die Rede sein.

    Eine wesentlich wirkungsvollere Alternative wäre der Einbau von sogenannten Flüsterbelägen. Mit fort- schreitender Abnützung sinkt der Lärmdämmungseffekt zwar, aber gemäss dem Bundesamt für Umwelt ist er immer noch ungefähr doppelt so wirksam wie die Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h. Die Nachteile des Belages (teurerer Einbau und geringere Lebensdauer) dürfte für die sonst so spendable Stadt kein ernsthaftes Hindernis darstellen. In der Stadt Zürich wurden gemäss Recherchen der NZZ bisher lediglich 5,7 Kilometer dieses Belages verbaut.

    Ökologisch fragwürdig
    Ausserdem ist die geplante Temporeduktion unter ökologischen Gesichtspunkten kontraproduktiv. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die im aktuellen Strassenbild nach wie vor die überwiegende Mehrheit darstellen, was sich bis 2030 wohl auch nicht grundlegend ändern dürfte, verbrauchen bei konstanter Fahrt mit 30 km/h mehr Kraftstoff und stossen auch mehr Schadstoffe aus, als dies bei 50 km/h der Fall ist.

    Ebenfalls nicht ausser Acht gelassen werden darf, was diese Massnahme für die Quartierbevölkerung bedeutet. Wenn auf den Hauptverkehrsachsen die gleiche Höchstgeschwindigkeit gilt wie in den Quartierstrassen, sinkt der Anreiz für die motorisierten Verkehrsteilnehmer sich auf den Hauptstrassen aufzuhalten und es ist zu befürchten, dass es zu vermehrtem Ausweichverkehr durch die Quartiere kommen wird, was die marginale Lärmreduktion auf den Hauptachsen ziemlich bedeutungslos erscheinen lässt.

    Zu allem Überfluss wird auch noch der öffentliche Verkehr ausgebremst. Diese Zwangsentschleunigung wird erhebliche Kosten generieren, weil zusätzliche Kurse geschaffen werden müssen. Gemäss den VBZ ist mit einer einmaligen Ausgabe von 70 Millionen Franken für die Anschaffung von zusätzlichem Rollmaterial zu rechnen sowie mit 20 Millionen Fran- ken jährlich für den Betrieb der zusätzlichen Fahrzeuge. Wer dies bezahlen muss, ist offen. Ganz unabhängig von der Kostenfrage ist anzunehmen, dass der öffentliche Verkehr unattraktiver wird, was logischerweise zu einer Zunahme des motorisierten Individualverkehrs führen wird. Gut gemeint ist eben oft das Gegenteil von gut.

    Wie geht es weiter?
    Der Stadtrat hat seinen geplanten ideologischen Feldzug gegen das Auto noch nicht konkretisiert und es ist noch nicht abzusehen, wann mit einer gesetzlichen Umsetzung zu rechnen ist. Sobald der Stadtrat einen Erlass zum Tempo 30 beschlossen hat und dies in ein Gesetz einfliesst, lässt sich ein städtisches Referendum gegen das Gesetz ergreifen. Innerhalb von 60 Tagen müssen 2000 Unterschriften gesammelt werden, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Bis der Stadtrat aber sein Vorhaben in ein Gesetz giesst, kann noch Monate dauern. Bei den Kosten, welche die Verwaltung hier auf sich nehmen würde, um ein solch unsinniges Vorhaben vorzubereiten und umzusetzen, würde es aber Sinn ergeben, den Stadtrat bereits heute auf den Unmut aus der Bevölkerung aufmerksam zu machen.

    Eine Sofortmassnahme wäre die Lancierung einer Petition. Diese darf online gesammelt und nach einer selbst bestimmten Zeitdauer eingereicht werden. Wir prüfen dies mit der IG-Schleichverkehr momentan und sind überzeugt, dass so in kürzester Zeit eine hohe Anzahl Unterschriften zusammenkommen könnte. Es würde Druck auf den Stadtrat ausüben, das ganze Vorhaben nochmals zu überdenken, und falls er dennoch an der Idee festhält, könnte man relativ einfach die Petitionäre angehen, um eine städtische Volksinitiative zu unterschreiben. Eine Volksinitiative würde eine Entscheidung an der Urne dann verbindlich erzwingen.

    Tempo 30 in allen Schweizer Städten?
    Linke Parteien und Organisationen waren in der Vergangenheit bemüht, erfolgreiche kommunale oder kantonale Vorstösse an anderen Orten in gleicher Form voranzutreiben. So wurde der Mindestlohn dieses Jahr in Basel-Stadt von den Gewerkschaften durchgebracht, nachdem er bereits in vier weiteren Kantonen durchgesetzt wurde. Die Vorstösse hatten praktisch den gleichen Wortlaut.

    Auch beim Verkehr wiederholen die Linken diese Methode. So hat der linke Winterthurer Stadtrat praktisch zeitgleich mit dem Zürcher einen eigenen Plan für Tempo 30 auf allen städtischen Strassen vorgestellt. Es ist damit zu rechnen, dass ähnliche Vorhaben in weiteren Städten geplant werden. Erst recht, wenn in Zürich und Winterthur der Plan aufgeht.

    Vor diesem Hintergrund ist es noch viel wichtiger, dass in Zürich das Tempo-30-Projekt des Stadtrats entschieden bekämpft werden kann. Die IG-Schleichverkehr wird in den nächsten Tagen die weiteren Schritte prüfen und mit Entschlossenheit diese extremen und schädlichen Plänen des Zürcher Stadtrats entgegentreten.

    Leroy Bächtold
    Vorstand FDP Zürich Kreis 7/8,
    Präsident IG Schleichverkehr, Unternehmer

    Nepomuk Batzer
    Vorstand FDP Zürich Kreis 7/8,
    Mitglied IG Schleichverkehr, Jurist

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